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Wie muss Kaffee schmecken? Die Sensorik von Kaffee.


Wir sprechen mit Tommaso Bongini, Quality Manager bei Caffè Mokarico, über die Sensorik von Kaffee.

KaffeeRausch [KR]: Hallo Tommaso, erkläre doch bitte unseren Lesern, warum die sensorische Wahrnehmung, also der Geruch und Geschmack des Kaffees, in Deinen Augen so wichtig ist.

Tommaso Bongini  [TB]: Bei der Beurteilung eines Espresso ist das erste, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht, der visuelle Aspekt: die Crema. Ihre Konsistenz und ihre Farbe sind die ersten Beurteilungen, die wir normalerweise vornehmen, wenn wir einen Espresso vor uns haben.

Aber der Espresso darf nicht nur nach seinem Aussehen oder der Crema allein beurteilt werden. Das Wichtigste kommt erst noch: Geruch und Geschmack. Der Geruch des Espresso ist der zweite Schritt in der Beurteilung eines Espresso, noch vor der Verkostung. Mit dem Geruch können wir uns einen ersten Eindruck verschaffen, was wir geschmacklich in der Tasse erwarten können. Aber selbst der Geruch kann noch täuschen. Wenn ich angenehme Noten von geröstetem Brot, feine Fruchtaromen und so weiter rieche, bedeutet das nicht, dass ist dieser Aromen in der Tasse wiederfinde. Auf jeden Fall muss ich, während ich einen Espresso trinke, die Balance, das Gleichgewicht, in der Tasse erkennen können.

[KR]: Was meinst Du mit Gleichgewicht?

[TB]: Grundsätzlich müssen alle Geschmacksrichtungen (sauer-süß-bitter) mehr oder weniger gleich intensiv in der Tasse sein. Ist dem nicht so, schmeckt der Espresso unausgeglichen und möglicherweise unangenehm.

Ein besonders wichtiger Punkt ist die Säure des Kaffees. Dabei sollte man sich bewusst machen: Die Säure im Kaffee ist kein Verbrechen! [lacht] Kaffee ist eine Frucht, und was wir rösten und mahlen, sind die Kerne dieser Früchte. Für den Kern einer Frucht ist es normal, in ihm ein gewisses Maß an Säure zu finden (z.B. Zitronensäure, Apfelsäure, Phosphorsäure, Essigsäure). Natürlich muss der Säuregehalt angenehm und nicht zu hoch sein. Aber ein Kaffee, der keinerlei Säure in sich trägt, schmeckt einfach nur flach.

[KR]: Wie steht es um die Süße, die viele Espressotrinker so lieben?

[TB]: Die Süße ist das Ergebnis der Karamellisierung des Zuckers in den Bohnen während der Röstung (die sogenannte Maillard-Reaktion). Wenn der Kaffee richtig geröstet wird, hebt sich dieser Zucker geschmacklich hervor und bringt Süße und Komplexität in die Tasse. Er spielt dabei ein wenig mit der Säure und bildet eine tolle geschmackliche Kombination.

[KR] Viele Kaffeetrinker empfinden Kaffee als bitteres Getränk.

[TB]: Hier müssen wir über eine erwünschte und eine nicht erwünschte Bitterkeit sprechen. Wenn wir an dunkle Schokolade denken, sind Aromen von Kakao, gerösteten Nüssen oder Karamell z.B. eine erwünschte Bitterkeit. Wenn wir andererseits Holz, Holzkohle, Rauch oder Asche im Espresso schmecken, sind diese Aromen unerwünscht. Grundsätzlich muss aber auch die erwünschte Bitterkeit in Balance zur Säure im Kaffee stehen.

[KR]: Die meisten Kaffetrinker sind in der sensorischen Wahrnehmung wenig geschult. Was können sie tun, um ihre sensorischen Fähigkeiten zu verbessern?

[TB]: Die effizienteste Art und Weise, sich für die Kaffeeverkostung zu schulen, ist Kaffee immer wieder bewusst zu probieren! Hilfreich ist es, den Kaffee nicht allzu heiß zu probieren, da die Geschmacksrezeptoren bei zu hohen Temperaturen wenig schmecken. Außerdem sollte man den Kaffee, ähnlich wie beim Wein, schlürfen und ihn im Mund mit Sauerstoff in Verbindung bringen. So schmeckt man im Mund am meisten.

Grundsätzlich sollte man sich mit Geschmäckern, Gerüchen und Aromen vertraut machen. Was die Säuren anbelangt, so kann man sich zum Beispiel eine Kaffee-Aromabar kaufen. Im Grunde handelt es sich dabei um saure Lösungen, die im Geschmack den gängigsten organischen Säuren ähneln. Ein paar Tropfen in ein Glas Wasser, und schon ist die Sache erledigt.

[KR]: Was kann man denn ohne Hilfsmittel schon zuhause tun, um sich an die Aromen des Kaffees heranzuarbeiten?

[TB]: Nehmen wir z.B. die fruchtigen Noten. In diesem Fall ist der Zusammenhang mit Wein recht ähnlich. Wie kann ein Sommelier z.B. eine "gelbe Pfirsichnote" in einem Glas Wein entdecken? Zuallererst muss man einen gelben Pfirsich tatsächlich einmal gegessen haben. Mann sollte sich dabei die aromatischen Empfindungen während des Essens notieren. Wie ist der Geruch des Pfirsichs? Wie schmeckt er? Wieviel Säure spüre ich auf der Zunge? Je öfter ich mir die wahrgenommenen Aromen bewußt mache, um so öfter werde ich mich bei der Verkostung von Kaffee an den Geruch und Geschmack erinnern zu können! Um das Aromengedächtnis zu trainieren ist ein Aromen- und Gerüchetagebuch z.B. ideal.

Wie für die Säuren gibt es im Handel viele Kits mit ätherischen Ölen, die die meist verbreiteten Aromen im Kaffee nachahmen.

[KR]: Wie kann man sich sonst noch selbst helfen?

[TB:] Als Gedankenstütze beim Verkosten ist es auch hilfreich, ein Aromarad zur Verfügung zu haben. Darauf findet man die meisten der im Kaffee vorkommenden Aromafamilien.

[KR]: In den Beschreibungen von Kaffees werden oft Aromen beschrieben, die man dann zuhause nicht schmeckt. Ist es tatsächlich wichtig, die "Vanillenote" im Kaffee zu schmecken? Oder reicht es nicht, sich einfach für "schmeckt" oder "schmeckt nicht" zu entscheiden?

[TB]: Vanille z.B. ist nur eine von Hunderten von Aromen, die man in einem Kaffee finden kann. Und wenn sie nicht erkannt wird oder gar nicht vorhanden ist, bedeutet das nicht, dass der Kaffee schlecht ist. Wie ich bereits sagte, gibt es mehrere Faktoren, die den Geschmack des Kaffees beeinflussen. Hier sind die wichtigsten: Herkunft des Kaffees, die botanische Sorte (Varietät), die Anbauhöhe des Kaffees, die Aufbereitung des Kaffees, die Röstung, die Extraktion des Kaffees (also die Zubereitung, [KR]) und die Wasserqualität.

Wenn der Vanillegeschmack also nicht in Ihrer Tasse ist, ist das kein Problem. Das ist normal! Und ja, natürlich ist es die wichigste Entscheidung überhaupt, die man treffen kann: "Schmeckt" oder "schmeckt nicht". Wenn man dann aber noch beschreiben kann, warum der eine oder andere Kaffee "schmeckt", umso besser.

[KR]: Welchen Rat würdest Du unseren Kunden geben,  um einen neuen unbekannten Kaffee zu beurteilen?

[TB]: Wie schon erwähnt, ist das aromatische Gleichgewicht in der Tasse die ausschlaggebende Bewertung! Der Kaffee darf keine Art von Adstringenz [ein „raues“, „pelziges“ Mundgefühl, KR], unerwünschter Bitterkeit oder einem viel zu hohen Säuregehalt aufweisen. Und noch ein letzter Punkt: Sucht nicht nach "Geistern"! Dieses Zitat wurde mir von einem Ausbilder gesagt, als ich den Q-Grader-Kurs*) besuchte: Wenn Ihr das Apfelaroma nicht schmeckt, macht Euch keine Sorgen. Wahrscheinlich ist es nicht einmal vorhanden!

[KR]: Im Zusammenhang mit Kaffee spricht man oft vom Cupping. Was genau wird dort gemacht?

[TB]: Das Cupping, [deutsch "Schröpfen", KR], auch bekannt als "brasilianische Art", ist die beliebteste und effizienteste Art, einen Kaffee zu beurteilen. Diese Methode wurde in den Erzeugerländern als einfache Methode entwickelt, mit der man Kaffee vor dem Versand verkostet, um mögliche Mängel zu erkennen. Heutzutage ist das Cupping die gebräuchlichste Methode, um die Qualität eines Kaffees auch von der anderen Seite der Produktionskette (bei den Importeuren, Röstern und Kunden) zu kontrollieren. Glücklicherweise gibt es für das Cupping ein offizielles Formular, das von der Specialty Coffee Association (SCA) geschaffen wurde. Nach diesen Regeln kann ich in Italien einen Kaffee probieren, den mir der Produzent beispielsweise aus Brasilien, Äthiopien oder Indien geschickt hat. Und wenn einerseit die Produzenten und andererseits wir als Rösterei den gleichen Regeln folgen, können wir auf Augenhöhe über denselben Kaffee sprechen, auch wenn wir uns in zwei verschiedenen Ländern befinden.

Übrigens cuppe ich bei Mokarico jeden Tag. Und zwar jedes Mal, wenn ein neuer Kaffee bei uns eintrifft. Ich überprüfe dann, ob uns Importeure oder Produzenten einen Kaffee mit Mängeln verkauft haben.

[KR]: Wie müssen wir es uns vorstellen, wenn bei Mokarico eine neue Kaffeemischung entstehen soll? Suchst Du nach einem bestimmten Aromaprofil oder probiert Ihr einfach verschiedene Rohkaffees aus, bis es passt?

[TB]: Diese Frage ist nicht kurz zu beantworten. Wenn wir über Mischungen sprechen, sprechen wir darüber, zwei oder mehrere Kaffees zusammenzustellen.

Dabei kann es sich um eine 100%ige Arabica-Mischung oder um eine Mischung aus Arabica und Robusta-Bohnen handeln, wobei hier die Wahl des Prozentsatzes dieser beiden Kaffees einer der wichtigsten und schwierigsten Aspekte unserer Arbeit ist. Letztlich kann es sich bei der neuen Mischung auch um einen 100%igen Robusta-Blend handeln.

Bei der Zusammenstellung einer Mischung gibt es viele Aspekte, die man im Vorfeld definieren muss, bevor man mit dem Mischen der Rohkaffees loslegt:
Wie hoch soll der Verkaufspreis sein, welche Rohkaffees haben wir bei Mokarico bereits lagernd, was ist das geschmackliche Ziel? Soll der aromatische Charakter des Kaffees komplex sein? Soll es eine fruchtige Mischung sein? Wie hoch soll die geschmackliche Intensität ausfallen? Soll die Mischung sehr körperreich sein und eine intensive Crema bilden? Und zu guter Letzt: Welche Kunden wollen wir mit der neuen Kaffeemischung erreichen?

Wenn all diese Punkte geklärt sind, beginnt der Aufbau der Mischung. Machen wir ein Beispiel:

Es soll eine Mischung aus Arabica- und Robusta-Bohnen entstehen, die fast überall auf der Welt geschätzt und nachgefragt wird. Sie soll eine schöne Fruchtsäure haben, mit fruchtigen und süßen Noten und einen mittleren Körper haben.

Zuerst machen wir ein Cupping mit allen Kaffees, die wir auf Lager haben, um uns mit dem aromatischsten Merkmal jedes Kaffees vertraut zu machen. Jeder einzelne ist z.B. fruchtiger als andere oder körperreicher als andere etc. etc.

Dann fangen wir an, einige potenzielle Rezepte zu schreiben, um schließlich, mit geröstetem Kaffee, Prototypen dieser Rezepte zu erstellen.

Danach kommt der schöne Teil: Die Verkostung! Wir verkosten Mischungen in Cupping-Gläsern und als Espresso, um jedes einzelne Detail besser zu schmecken. Das geht immer so weiter, bis wir die Mischung gefunden haben, die dem ursprünglichen Ziel entspricht. Bei dem von mir erwähnten Beispiel wäre das Ergebnis wahrscheinlich eine Mischung, die zu mindestens 65-70% aus Arabica und zu 35-30% aus Robusta besteht.

[KR]: Welche Varietäten von Arabica und Robusta verwendet Ihr dann?

[TB]: Ihr müsst bitte daran denken, dass wir, wenn wir über Arabicas sprechen, normalerweise mit mehr als zwölf Rohkaffees unterschiedlicher Herkunft arbeiten. Darunter sind mindestens zwei verschiedene Arabicas aus Brasilien und zwei verschiedene Äthiopier, ein gewaschener und ein natürlich aufbereiteter Kaffee [mehr zur Aufbereitung von Kaffee lesen sie hier, KR]. Das gleiche gilt mehr oder weniger auch für Robusta-Kaffees. Davon haben wir mehr als zehn dauerhaft auf Lager.

Jedenfalls gibt es keine geheimen Zutaten, Rezepte oder Tricks. Es geht darum, sehr gut zu wissen, welches Ziel man erreichen will, welcher Kaffee zur Verfügung steht und wie man ihn röstet. Last but not least: Wenn eine Mischung einmal kreiert ist, ist der schwierigste Punkt, wie diese Mischung vom Barista zubereitet werden kann. Hier halte ich mich jetzt aber zurück, denn sonst würde es zu lange dauern, zu erklären, wie man vom gerösteten Kaffee zum perfekten Espresso kommt. [lacht]

[KR]:  Wie hast Du eigentlich Deine sensorischen Fähigkeiten erworben? Braucht es dafür eine besondere Begabung?


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[TB]:  Nein. Nur Leidenschaft für die Welt des Kaffees, viel Geduld und Zeit!

[KR]:  Tommaso, wir danken Dir für dieses Gespräch

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Tommaso Bongini ist Quality Manager bei der florentinischen Kaffeerösterei Mokarico. Er ist quasi inmitten von Kaffeebohnen aufgewachsen. Schließlich stammt er aus einer der bedeutenden Familien von Kaffeeröstern in Florenz, der Familie Paladini.  Marco Paladini steht der Kaffeerösterei Mokarico bis heute vor. 

Seit 2018 führt Tommaso Bongini seine eigene Kaffeemarke, die Gearbox Coffee Roasters. Dort röstet Bongini vor allem Spezilitätenkaffees, die außerhalb des italienischen Mainstreams angesiedelt sind.

*) Q-Grader ist ein Kurs für Kaffeeröster, -verkoster und -produzenten. Sehr kompliziert, aber nützlich, wenn man in einem Qualitätskontrollausschuss sitzt oder man Kaffeeproduzent ist. Weltweit gibt es weniger als 5.000 Q-Grader. Tommaso Bongini ist einer von Ihnen.

Autor: Johannes Lacker

Johannes Lacker ist gelernter Restaurantfachmann und Hotelbetriebswirt. Als zertifizierter SCA Barista und Online Marketer verantwortet er bei Kaffee Rauscher den Onlinehandel und das Online Marketing.